„CopStories“-Kritik: Ep 1.08: „Oida?“

Volkan weiß sich zu wehren - mit allen Mitteln. Quelle: CopStories DVD, Gebhardt Productions

Bevor im Winter Staffel 3 im Fernsehen anrollen soll, strahlt der ORF zuvor noch einmal die ersten beiden aus. In „Oida?“ muss Altan seine Loyalität gegenüber Dogan beweisen, während Eberts die Suspendierung droht. Wie so viele andere Folgen bietet „Oida?“ sehr gut beobachtete Charaktermomente, während ein, zwei Fälle nicht ganz so recht ins Gesamtbild passen wollen.

Müsste man „CopStories“ einem Genre zuordnen, wäre das wohl das Arbeitsplatz-Drama. Wie die meisten  solcher Dramen versucht auch „CopStories“, seine Episoden mit Humor zu würzen, um die Stimmung ein wenig zu lockern – und weil die Serie ohnehin so viele Handlungsstränge pro Folge bedient, kann man auch einen davon für diese Auflockerung beiseitestellen. Das scheint zumindest die Idee hinter der Folgenstruktur zu sein, die „CopStories“ in den vorigen paar Episoden und auch in „Oida?“ eingehalten hat. In der Praxis sorgt das allerdings für eine tonale Dissonanz – es wirkt beizeiten, als ob die „CopStories“-Geschichten in zwei unterschiedlichen Universen stattfinden würden. In der Vorfolge war das noch die Jagd nach einem Indianer, die primär auf Komik ausgelegt war,  in „Oida?“ ist es eine Schar wildgewordener Senioren.

Humor ist Geschmackssache

Dabei kann „CopStories“ doch wunderbar Humor in die ernsteren Geschichten einbinden. Der Raum in der Druckerei voller Poster von nackten Frauen etwa, in dem Tina und Leila bei Fahrstuhlmusik die Spucke wegbleibt, oder Lukas‘ spontane Freundschaft mit dem Müllmann oder natürlich sämtliche Dialoge von Eberts – all das sind Beispiele dafür, dass die Serie witzig sein kann, ohne auf Absurdität zurückgreifen zu müssen. Dennoch fühlt sich die Serie anscheinend dazu verleitet, einen Fall auf lustig zu trimmen, ohne dass sie es nötig hätte. Der Fall rund um die Senioren hat zwar auch ansprechende Seiten (etwa als deren Anführer und Sylvester zu plaudern beginnen und Sylvester den Mann durch die Geschichte von der Fremdenlegion in völlig neuem Licht sieht), bekleckert die Serie aber insgesamt nicht gerade mit Ruhm.

Sicherlich ist Humor Geschmackssache und dessen unterschiedliche Einbindung wohl auch ein Versuch, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Am besten funktioniert er bei „CopStories“ allerdings dann, wenn er in Verbindung mit den Stärken der Serie auftaucht, der Charakterisierung und den gelegentlichen dramatischen Glanzstücken, und nicht konträr dagegen. Gerade „Oida?“ zeigt, wie gut das funktionieren kann: Wenn Efe absichtlich und wiederholt „Mit alles?“ fragt, ist das einerseits witzig, verrät uns aber andererseits auch, dass er sich Österreichern gegenüber gerne als dümmer ausgibt, als er ist.

Spucken

Ein noch besseres Beispiel ist jene Szene zwischen Eberts und Volkan: In einem Moment lacht man noch über Volkans simplen Humor („Deine Mama“-Witze und Identi-fick-aktion), im nächsten glückt ihm seine Provokation und „CopStories“ schaltet auf ernst. Was kann man tun, wenn einem ins Gesicht gespuckt wird? Martin Zauners Mischung aus Fassungs-, Hilflosigkeit und Wut macht diese unscheinbar wirkende Szene zum Höhepunkt der Folge, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie das Kernthema der Serie so treffend auf den Punkt bringt: Wie kann man in solchen Situationen nicht nur die Autorität, sondern auch die Würde behalten?

Spucken ist eine so simple und einfach ausführbare, jedoch unheimlich entwürdigende Attacke, die aber gerade noch harmlos genug ist, um einen physischen Gegenangriff nicht zu rechtfertigen. Spucken ist eine Degradierung, der wahre Schaden wird innerlich angerichtet – ein Glück, dass bei Eberts unter der harten Schale ein ebenso harter Kern steckt, doch trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass ihm der Vorfall nahe geht. Und dabei klammern diese Überlegungen noch aus, dass er Polizist ist – doch weil Volkan noch minderjährig ist, reicht es zu mehr als „drei Tage Fernsehverbot“ wohl nicht aus.

„CopStories“ bietet zuerst eine vermeintlich einfache Lösung: Selma Kumran-Effenberg stellt sich zufällig als dessen einzige Verwandte heraus, die Volkan in derlei Angelegenheiten schützt, und Bergfeld bringt sie dazu, zumindest Eberts aus dem Schussfeld der Ermittlungen zu nehmen. Aber einerseits kommt Volkan noch zu gut davon, und andererseits passiert der unvermittelte Brandanschlag auf Michaelis‘ Wohnung, während sie und Eberts sich noch kurz zuvor langsam (aber überzeugend) näher gekommen waren. Gerade weil die Beziehung zwischen den Beiden eine der dynamischeren der Staffel ist, die sich bislang am stärksten entwickelt hat, bleibt dieser Fall spannend.

Drogen, Waffen und Patente

Keine allzu großen Neuerungen gibt es hingegen im Fall Dogan, wenn man von einer neuen Bekanntschaft mal absieht, auch wenn dieser in „Oida?“ durchaus eine größere Präsenz besitzt. Die große Drogenszene ist toll umgesetzt, keine Frage – nicht ganz ersichtlich ist allerdings, wie sehr Dogan Altan plötzlich vertraut, um ihn in diese riesige und riskante Aktion einzuplanen – vor ein paar Episoden haben sie sich noch Waffen an die Stirn gehoben.

Dabei ergibt sich auch die Vermutung, dass Dogan sein Vertrauen nur vortäuscht, keinen wirklichen Sinn, weil er Altan bei dieser Nacht- und Nebelaktion komplett vertrauen muss, wenn er scheinbar alles aufs Spiel setzt. Efe wird hingegen ausgezeichnet in die ganze Geschichte verstrickt: Erst lässt er sich von Dogan seine Öffnungszeiten diktieren, und nach der erfolgreichen Umsetzung fühlt er sich bestätigt und in die Gemeinschaft aufgenommen. Dass Altan ihm die Bekanntschaft von Susanne streitig macht, sollte Efe noch ein wenig weiter in Richtung Dogan driften lassen – warum Dogan also Altans Bekanntschaft mit Susanne bitter aufzustoßen scheint, wird sich erst herausstellen müssen.

Ein guter Coup für Dogan - viel Widerstand gab es aber auch nicht. Quelle: CopStories DVD, Gebhardt Productions
Ein guter Coup für Dogan – viel Widerstand gab es aber auch nicht. Quelle: CopStories DVD, Gebhardt Productions

Klar ist hingegen mittlerweile Lukas‘ sexuelle Orientierung. Wer bislang die Hinweise nicht entdeckt hat oder erst zur Serie hinzustößt, erhält hier endlich Klarheit – „CopStories“ versteht es, einsteigerfreundlich zu sein, ohne sich dabei gestellt wiederholen zu müssen. Die Geschichte rund um die verlorene Tasche ist nicht wahnsinnig interessant, aber unterhaltsam genug, um für sich alleine zu stehen. Ein „CopStories“ voller solcher in sich geschlossener Geschichten, die weder die Figuren noch eine folgenübergreifende Storyline weiterbringen, wäre undenkbar, aber in kleinen Dosen wie dieser lockert das die Episode auf, ohne weiter zu stören.

Ähnliches kann man von den zwei Fällen sagen, bei denen Leila beteiligt ist, nur dass die ein wenig besser verzahnt sind. Flo geht die Übermittlung der Todesnachricht nahe, weil er sich stets um seine Emma sorgt; Leila betrifft der Fall, weil er sich mit ihrer Art schlägt, stets schonungslos die Wahrheit zu sagen – und so zu einer persönlichen Herausforderung wird. Und noch in derselben Episode begegnet Leila einem ähnlichen Konflikt, als Tina verschweigen möchte, dass Janine Klein ihren Ehemann umbringen wollte. Wieder konfrontiert Leila ihr Gegenüber mit einer unbequemen Wahrheit, dieses Mal nimmt sie aber die moralische Überlegenheit ein: Bei all der Empathie, die Tina zeigt, muss sie auch sehen, dass diese Grenzen haben muss . Gleichzeitig ist es aber auch ein wichtiger Moment für Leila, die sich bislang immer auf die Seite unterdrückter Frauen geschlagen hatte: Hier lernen wir, dass sie sich sehr wohl gut überlegt, wessen Seite sie einnehmen kann.

Egal, von welchem Fall aber die Rede ist: Die PolizistInnen sind stets selbst emotional in ihre Fälle involviert (außer vielleicht, unüberraschenderweise, beim Senioren-Fall), und das lässt auch uns Zuseher intensiver an ihnen teilhaben. Wir kennen Janine Klein und ihren Ehemann oder den doch nicht so schwulen Michael oder den Vater Vogelsang nicht gut genug, um vollkommen in ihre Geschichten hineingezogen zu werden. Aber Tina, Leila, Lukas und Florian, die kennen wir – und was diese aus ihren Fällen mitnehmen, das kommt auch bei uns an. Schade, dass das bei der A-Storyline von „Oida?“ nicht der Fall ist.

„CopStories“ Staffeln 1 und 2 werden seit dem 7. Juli jeden fußballfreien Dienstag um 21.05 Uhr auf ORFeins ausgestrahlt. Danach sind die Folgen jeweils für sieben Tage in der ORF-TVthek (auch weltweit) verfügbar. Beide Staffeln sind als DVD erhältlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.