Die fremde Haut: „Ghost in the Shell“ als Realfilm

GHOST IN THE SHELL
Im Bodysuit gegen den Rest der Welt: Scarlett Johansson als Major; Foto: Paramount Pictures / DreamWorks Pictures

Das Original von Mamoru Oshii war 1995 einer der Filme, die das Genre Anime auch im Westen etablierten. Nun kommt das lang erwartete Live-Action-Remake mit Scarlett Johansson als Super-Cyborg in die Kinos. Kann das gutgehen?

In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft hat die Biotechnologie gewaltige Fortschritte gemacht. Zum (anscheinend) ersten Mal gelingt es Forschern, ein menschliches Gehirn in einen kybernetischen Körper zu verpflanzen, einen Geist in eine Schale: Der Major (Johansson) ist geboren, ein Wesen, von dem man nicht mehr sagen kann, ob es Mensch oder Maschine ist. Ein Jahr später arbeitet der Cyborg in der weiblichen Hülle als Super-Cop bei Sektion 9, einer Spezialeinheit der Polizei, die einen geheimnisvollen Serienkiller jagt. Der bringt der Reihe nach die Wissenschaftler um, die an dem Cyborgprojekt beteiligt waren, aus dem der Major hervorging. Doch je näher sie dem Täter kommt, desto mehr wird ihr bewusst, dass sie keiner der Informationen trauen kann, die sie von dem Konzern Hanka Robotics bekommen hat – und auch nicht ihren eigenen Erinnerungen.

Der Anime von 1995 zeichnete sich neben seinem grandiosen Worldbuilding vor allem durch seine philosophische Tiefe aus und bewies dadurch (zusammen mit „Akira“), dass japanische Zeichentrickfilme weit mehr sein konnten als spektakuläres Rumgekloppe. Es folgten mehrere Fortsetzungen und Serienableger, bisher immer in animierter Form. Wenn sich Hollywood eines solchen Films annimmt und als Multimillionen-Dollar-Blockbuster neu auflegt, ist immer die Befürchtung groß, die inhaltliche Tiefe des Originals könne dabei auf der Strecke bleiben. Das ist hier zum Glück nicht der Fall: Trotz aller spektakulären Schauwerte und der zahlreicheren Actionszenen steht im Zentrum immer noch die zentrale Frage des Franchises (nach der Mangaserie von Masamune Shirow): Was macht den Menschen aus? Die Biologie, der Körper – oder nicht doch vielmehr die Tatsache, dass er sich selbst bewusst, ein denkender, fühlender Geist ist?

Der sexy Cyborgkörper, geboren aus einer Männerphantasie

Scarlett Johansson, sicher nicht die beste Schauspielerin der Welt, schafft es, diesem Zwiespalt ein glaubwürdiges menschliches Gesicht zu geben. Was sich zunächst nach einer auf vordergründigen Reizen basierenden Fehlbesetzung anhörte, stellt sich als erstaunlich treffend heraus. Johansson wirkte in vielen ihrer Rollen ohnehin wie eine synthetische Figur, wie ein Fleisch gewordener (feuchter) Traum. Diese künstlich erschaffene Männerphantasie wird nun mit der Rolle des sexy Cyborg im Ganzkörper-Bodysuit übersteigert bis zum Gehtnichtmehr. Dank perfekter CGI-Effekte kann man wirklich nicht mehr sagen, wo die Haut der Schauspielerin aufhört und das Computerwesen anfängt. Johanssons immer noch jugendhaftes Gesicht strahlt dabei jedoch eine große Verletzlichkeit aus. Auch wenn der Körper durch technisches Enhancement nahezu unbesiegbar geworden ist, bleiben die eigentlichen Beschwernisse der menschlichen Existenz die gleichen: Erinnerungen, Gefühle, Sehnsüchte, das Bedürfnis dazuzugehören.

Johansson zur Seite steht ein internationaler Cast, der tatsächlich nicht so eklektisch wirkt, wie es sich auf dem Papier anhörte: Der durch „Borgen“ bekannt gewordene Däne Pilou Asbaek spielt Majors menschlichen Partner Batou, Japans Actionstar Takeshi „Beat“ Kitano ihren Vorgesetzten und Juliette Binoche ihre Schöpferin, die Wissenschaftlerin Dr. Ouelet. Insbesondere letztere holt dabei alles an Emotionen aus ihrer Rolle heraus, was die begrenzte Screentime ermöglicht. Voll und ganz überzeugen kann der Film auf der technischen Ebene: Produktionsdesign und Worldbuilding sind atemberaubend und setzen mit ihren Totalen einer albtraumhaft überladenen asiatischen Megastadt der Zukunft und vertikalen Fahrten durch dieselbe neue Maßstäbe. Das Sounddesign wummert durch den Magen, als wäre man auf einem Rockkonzert.

Während manche Sequenzen fast eins zu eins aus dem Anime übernommen wurden (Majors Kampf im transparenten Körper mit einem Gegner im Wasser vor der Stadtkulisse, das nächtliche Gespräch mit ihrem Partner auf einem Boot, nachdem sie auf den Meeresboden getaucht war), wurde die Geschichte stark verändert. Statt dem körperlosen Puppet Master jagt Major hier einfach einen anderen Cyborg und die Auflösung, was es mit diesem (und Majors Erinnerungsfetzen) auf sich hat, ist vielleicht etwas zu generisch geraten. Das verdirbt aber nicht den Spaß an diesem rasanten Science-Fiction-Thriller, der in vielerlei Hinsicht an „Blade Runner“ erinnert. Nicht nur, was das Produktionsdesign angeht, sondern auch die zugrunde liegende Philosophie. Und das ist sicherlich nicht die schlechteste Referenz.

Der Film startet am 30. März in den deutschen Kinos.

 

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