„Der Exorzist“ als Charakterdrama: Robert Kirkmans neue Comicadaption „Outcast“

Die eigenen und fremde Dämonen begleiten ihn schon sein ganzes Leben: Patrick Fugit als Kyle Barnes; Foto: Cinemax/Fox International Channels

Mit „The Walking Dead“ gelang Comicautor Robert Kirkman ein Riesenerfolg, dessen TV-Version regelmäßig Zuschauerrekorde bricht. Beim deutschen Fox Channel läuft jetzt sein neues Serienprojekt, das wiederum auf einer Comicreihe aus seiner Feder basiert. Statt mit Zombies müssen sich die Helden diesmal mit Dämonen rumschlagen.

Wer William Friedkins Horrorfilmklassiker „Der Exorzist“ von 1973 gesehen hat, wird bei der Pilotfolge von „Outcast“ das eine oder andere Déjà-Vu bekommen. Die Szenen, in denen der Antiheld Kyle Barners (Patrick Fugit) gemeinsam mit dem Reverend Anderson (Philip Glenister) versucht, einem kleinen Jungen einen Dämonen auszutreiben, wirken teilweise wie direkt dem Film entnommen: Da spuckt das Kind Blut, schneidet seltsame böse Grimassen und fliegt an der Zimmerdecke herum. Bis Kyle ihm den Dämonen quasi aus dem kleinen Leib prügelt.

Zimperlich oder nervenschwach darf man jedenfalls nicht sein, wenn man sich die Adaption der neuesten Comicreihe von Robert Kirkman zu Gemüte führen will. Was bei dessen „The Walking Dead“ schon einmal geklappt hat – aus einem ohnehin bereits erfolgreichen Comic einen Megahit als TV-Serie zu machen -, wird auch ein zweites Mal funktionieren, so wohl das Kalkül des HBO-Schwestersenders Cinemax. Der hat dementsprechend die Serienadaption schon in Auftrag gegeben, bevor überhaupt das erste Heft erschienen war. Anders als bei Kirkmans Zombieshow entstehen die Comicvorlagen also quasi parallel zu den Drehbüchern zur ersten Staffel der TV-Version, was noch stärker als bei den „Walking Dead“ zu Unterschieden führen dürfte. Wie bei der ersten TV-Umsetzung einer seiner Geschichten hat Kirkman auch hier wieder die Rolle eines ausführenden Produzenten inne und schrieb zudem diesmal auch die erste Folge, während der genrebewährte Chris Black („Xena“, „Star Trek: Enterprise“) das Projekt als Showrunner leitet.

Comic Bild für Bild abgefilmt

Die Auftaktepisode unterscheidet sich von der Handlung her noch nicht wesentlich vom Comic. Ganz im Gegenteil wirken die Einstellungen oft so, als hätte Regisseur Adam Wingard das erste Kapitel der Heftreihe einfach Bild für Bild abgefilmt. Durch die Schauspieler, die ihr Handwerk durchgehend verstehen, aber natürlich auch durch die realere Anmutung der filmischen Umsetzung wirkt das Gesehene trotzdem mitreißender und auch wesentlich gruseliger als im nicht gerade plastischen Zeichenstil von Paul Azaceta. Kyle Barnes ist ein junger Mann mit einer problembeladenen Vergangenheit: Als Kind musste er miterleben, wie seine Mutter von einem Dämonen besessen wurde. Viele Jahre später kehrt er nach einer gescheiterten Ehe in sein Heimatstädtchen Rome in West Virginia zurück und zieht in das verlassene Haus, in dem er seine schwere Kindheit durchlebt hat.

Der einzige Mensch, der sich um ihn sorgt, ist Megan (Wrenn Schmidt), mit der zusammen er in einer Pflegefamilie aufwuchs, nachdem seine leibliche Mutter durchgedreht war. Diese Schwester versucht nun, Kyle aus seiner selbst gewählten Einsamkeit herauszuholen. Und dann begegnet er eben noch dem örtlichen Pfarrer, Reverend Anderson, der ihn um Hilfe im Fall des kleinen Joshua bittet, der – wie damals Kyles Mutter – von einem Dämonen besessen zu sein scheint. In den weiteren Folgen wird klar, dass dies in der so beschaulich wirkenden Kleinstadt kein Einzelfall und Anderson ein Mann mit einer Mission ist: den Teufel auszutreiben, wo immer er ihn vermutet. Fortan wird Kyle – eher widerwillig – zu so etwas wie seinem Exorzisten-Lehrling. Ab der zweiten Folge verdichten sich aber auch die Hinweise, dass hinter dem ganzen Hokuspokus noch etwas Anderes, Größeres zu stecken scheint. Als Brent „Data“ Spiner als mysteriöser „Mann mit Hut“ (und ohne Nachnamen) auftaucht, wird klar: Eine Verschwörung à la „Akte X“ lässt grüßen.

Pendeln zwischen den Genres

Es sind also eine ganze Reihe unterschiedlicher Genres, zwischen denen Kirkman und die anderen Autoren hier hin und her pendeln: Horror, Familiendrama, Mystery. Wobei das Hin und Her durchaus wörtlich zu verstehen ist. So folgt auf die Pilotfolge mit ihren recht krassen expliziten Gewalt- und Ekelszenen eine ruhigere zweite Episode, die sich hauptsächlich auf die Vergangenheit des Antihelden konzentriert (und stärker überzeugen kann als der etwas generisch geratene Auftakt). Folge 3 bietet dann nicht viel mehr als einen „Exorzismus der Woche“, während Episode 4 wieder einen stärkeren Fokus auf die Psychologie der Figuren legt und fast keine Horrorelemente hat. Diese ist denn auch die interessanteste der ersten vier Teile – jedenfalls, wenn man nicht primär wegen der Splattereffekte einschaltet. Insgesamt wirkt die Erzählung noch etwas unausgegoren. Wie schon bei „The Walking Dead“ scheint Kirkman das Horrorgenre vor allem als Vorwand zu benutzen, um die psychologischen Verwerfungen zu beleuchten, die Menschen sich gegenseitig zufügen. Diese Verbindung geht aber nicht so gut auf wie in den ersten Staffeln seiner Zombieserie. „Outcast“ ist über weite Strecken extrem langsam erzählt, was viele Horrorfans schnell abschrecken dürfte, während diejenigen Zuschauer, die Qualitätsserien lieben, von dem Gorefaktor vergrault werden könnten.

Ein großer Pluspunkt der Serie ist neben der gelungenen Inszenierung, zu der neben der hochwertigen Kameraarbeit auch die düstere Industrialmusik von Atticus Ross (Oscar für „The Social Network“) und seinen Kollaborateuren beiträgt, das Ensemble. Patrick Fugit, der als Teenie-Reporter im Musikfilm „Almost Famous“ berühmt wurde, schafft es, der inneren Zerrissenheit des vom Schicksal getriebenen Kyle angemessen Ausdruck zu verleihen. Wrenn Schmidt („Boardwalk Empire“) überzeugt als seine ebenso sensible wie starke Pflegeschwester. Der Brite Philip Glenister, bekannt als DCI Hunt aus „Life on Mars“, spielt den missionarischen Pfarrer routiniert. Auch die Nebenrollen sind mit „The Wire“-Veteran und Emmy-Gewinner (für „House of Cards“) Reg E. Carthy als örtlichem Polizeichef und Laura-Palmer-Mutter Grace Zabriskie als dämonischem alten Gemeindemitglied des Reverends erstklassig besetzt.

Wenn sich Kirkman und seine Kollegen bei den weiteren Folgen weniger immer neuen „Fällen der Woche“ widmen und stattdessen die durchaus interessanten Figuren und ihre Beziehungen zueinander weiterentwickeln, könnte „Outcast“ noch eine fesselnde Serie werden. Andernfalls könnte es schnell lanweilig werden. Potential ist vorhanden, die Ausführung der Geschichte überzeugt jedoch in den ersten Folgen noch nicht durchgehend.

Die Folgen sind jeweils einen Tag nach US-Erstausstrahlung montags um 21 Uhr auf dem deutschen Fox Channel zu sehen. Parallel sind sie auch über Amazon, Sky Go und Sky on Demand abrufbar. Dieser Text erschien zuerst bei wunschliste.de.

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