„Better Call Saul“-Kritik Ep. 2.03: „Amarillo“

Stilecht gekleidet: Jimmy McGill (Bob Odenkirk); Foto: Sony TV/AMC

Diese Woche beschreitet Jimmy neue Wege bei der Mandantensuche und Mike kommt seiner Schwiegertochter zu Hilfe. Für wen der beiden heißt es als erstes: „Breaking Bad“?

Die Folge eröffnet mit Ernest Tubbs Song „Waltz Across Texas“ und bietet eine wunderbare Auftaktszene. Jimmy McGill (Bob Odenkirk) hat seinen schönsten weißen Luden-Anzug nebst Cowboyhut rausgekramt und versucht, sich bei einigen Sandpiper-Senioren einzuschleimen. Dass er gut mit alten Menschen zurechtkommt, wissen wir bereits aus der ersten Staffel. Und so können wir dabei zuschauen, wie er seine schmierigste Seite auspackt und Kunden auf einer Kaffeefahrt akquiriert.

Im folgenden Business-Meeting der beiden Anwaltskanzleien deutet sich an, dass diese Art der Klientengewinnung illegal ist. Jimmys Bruder Chuck (Michael McKean) stellt kritische Rückfragen, von Regisseur Scott Winant mit der klassischen Schuss-/Gegenschuss-Methode gefilmt. Ein großer Tisch dient dabei als Trennlinie, die zwischen den beiden Brüdern verläuft. Ihr Verhältnis zueinander wird in der Zukunft sicherlich noch zu Konflikten führen.

Justitias Aschenbecher

Kim (Rhea Seehorn) zeigt sich über Jimmys neuerliche Abweichung vom Protokoll nicht begeistert. Sie möchte, dass er ehrliche Arbeit verrichtet. In solchen Momenten ist es schade, dass wir aus „Breaking Bad“ schon wissen, was später aus McGill werden wird. Denn sonst wäre der innere Kampf zwischen dem Jimmy, der das Richtige tun will und dem, der zwielichtige Methoden anwendet, um ans Ziel zu kommen, noch interessanter. (Die veränderte Titelsequenz macht es bereits klar: Eine Frauenhand benutzt die Waage, Symbol für das Justizsystem, als Aschenbecher. Wie lange dauert es noch, bis sich Jimmy endgültig der dunklen Seite der Macht zuwendet?)

Letzte Woche zeigte sich, dass die Autoren die Geschichten von McGill und Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) getrennt voneinander weitererzählen wollen. War Mike in „Better Call Saul“ zunächst nur eine Randfigur, die unmittelbar mit Jimmy zu tun hatte, bekommt er nun vollends seinen eigenen Handlungsstrang: Im Viertel von Ehrmantrauts Schwiegertochter treiben sich angeblich dubiose Gesellen herum, sogar Schüsse sollen gefallen sein. Mike legt sich also nachts auf die Lauer. An sich nicht sonderlich spannend, aber da Jonathan Banks eine Menge Charisma besitzt und seine Rolle schon in der Mutterserie zu einer der besten gehörte, ergibt diese Trennung durchaus Sinn und verleiht etwas mehr Komplexität. Außerdem wird diese Szene sehr amüsant aufgelöst. Ob seine Schwiegertochter unter Wahnvorstellungen oder zu lebendigen Träumen leidet, muss sich noch zeigen.

„I’m not breaking bones“

Jimmy arbeitet derweil an seiner neuesten und tatsächlich legalen Idee: einem Werbespot. Obwohl ihm sein Chef nur ein halbes Okay gegeben hatte, lässt er den Werbefilm bei einem Lokalsender schalten. Die Resonanz ist positiv, viele Anrufe gehen bei der Kanzlei ein. Doch sein Vorgesetzer, Clifford Main (Ed Begley Jr.), ist alles andere als begeistert, als er davon erfährt. McGill wird für den nächsten Morgen ins Büro zitiert. Dunkle Wolken ziehen wieder mal an Jimmys Horizont auf.

Zurück zu Mike Ehrmantraut. Der Zuschauer merkt: Unser Ex-Cop ist nicht ausgelastet mit seinem Parkwächter-Job und schaut sich nach anderen Beschäftigungsfeldern um. Er nimmt eine Betätigung als Bodyguard an, obwohl diese schlecht vergütet ist. Bei einem Kredithai zu arbeiten, lehnt er ab. „I’m not breaking bones“, so sein Credo. Auch hier arbeitet das Drehbuch wieder mit den Kenntnissen aus „Breaking Bad“: Das wird nicht immer so bleiben. Während wir uns noch fragen, wie die Veränderung in seinem Denken vonstatten geht und was dazu führt, kommt bereits der entscheidende Anruf. Jemand habe speziell nach Mike verlangt. Ehrmantraut fährt zu einem Treffen mit (wenig überraschend) Nacho. Ob er den angebotenen Killer-Auftrag annimmt, lässt ein Cliffhanger offen.

„Amarillo“, die dritte Folge der zweiten Staffel, ruht in sich selbst. Der Humor wurde im Vergleich zur Vorwoche wieder etwas zurückgenommen, blitzt aber hier und da auf. Die erwartbaren Konflikte entwickeln sich weiter langsam, aber zwingender. Mikes Kampf mit sich selbst ist momentan etwas spannender, aber auch Jimmys Handlungsstrang schaut man gerne zu. Entweder hat sich die Serie selbst gefunden oder der Rezensent das Tempo endlich verstanden: so kann es gerne weitergehen.

„Better Call Saul“ ist in Deutschland auf Netflix zu sehen, jeden Dienstag wird eine neue Folge online gestellt.

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