Die unwirkliche Schönheit eines Dammbruchs: „Les Revenants“ gehen in die zweite Staffel

Sie sind zurück: die Untoten am See; Fotos: Jean-Claude Lother / Haut Et Court TV / Canal +

Drei Jahre hat es gedauert, bis nach dem Überraschungserfolg der französischen Mysteryserie endlich die Fortsetzung anlief. Seit Kurzem ist es soweit, nicht nur in Frankreich, sondern auch schon auf Channel 4 in Großbritannien und SundanceTV in den USA. An Qualität hat Staffel 2 nichts eingebüßt.

Gleich mit der ersten Sequenz, noch vor dem Vorspann, ist sie wieder da, die unheimlich-unwirkliche Atmosphäre, die bereits die Debütstaffel der Serie so auszeichnete. Da fährt ein Rettungswagen über den inzwischen so vertrauten Staudamm, um die hochschwangere und blutende Adèle ins Krankenhaus zu bringen. Aber mitten im Wald endet plötzlich der Weg, die Sanitäter sind ratlos. Wir Zuschauer wissen jedoch bereits seit längerem: Es gibt kein Entkommen aus der Stadt der Untoten.

Es war alles andere als selbstverständlich, dass die zweite Staffel das hohe Niveau der ersten würde halten können. Nicht nur, weil die Latte so hoch lag, sondern eben auch wegen der vielen Zeit, die seit dem ersten Staffelfinale vergangen war (das zudem viele Fans nicht überzeugen konnte). Würde es den Schauspielern da leicht fallen, wieder in ihre Rollen zu schlüpfen? Wären nicht insbesondere die Kinderdarsteller diesen mittlerweile entwachsen? Tatsächlich ist vor allem der unheimliche Victor deutlich größer geworden – was aber nicht negativ ins Gewicht fällt.

Stattdessen ist es wie ein Wiedersehen mit alten, lange nicht gesehenen Freunden, wenn im Staffelauftakt langsam, einer nach dem anderen, die Hauptfiguren wieder eingeführt werden. Die Autoren um Serienschöpfer Fabrice Gobert versuchen gar nicht erst, so zu tun, als knüpfe die Handlung nahtlos an die alten Folgen an. Auch in der Serienwelt ist Zeit vergangen, wenn auch nur sechs Monate, seitdem die Untoten verschwanden und die noch immer namenlose Kleinstadt (erneut) überflutet wurde. Das Leben dort ist seitdem weitgehend zum Erliegen gekommen, die meisten Einwohner sind evakuiert worden. Während die Gebliebenen sich zum Teil in den Räumen der „Helfenden Hand“ einquartiert haben, sind die Untoten und ihre Begleiter im von der Flut abgetrennten Ortsteil untergetaucht. Es dauert lange, bis wir sie wieder zu Gesicht bekommen. Zunächst hat das Militär die Kontrolle in der Stadt übernommen – freilich ohne zu ahnen, welch unerklärlichen Dinge wirklich vorgefallen sind – und ein neu ankommender Experte sucht nach den Ursachen des geheimnisvollen Dammbruchs.

Älter, aber nicht weniger unheimlich: Victor
Älter, aber nicht weniger unheimlich: Victor

Bemerkenswert ist, wie mühelos die Autoren pro Folge mit gut einem Dutzend Handlungssträngen balancieren, ohne dass man das Gefühl hätte, Figuren kämen zu kurz – was bei einem ausufernden Ensemble von rund 15 Hauptfiguren schon erstaunlich ist. Und diese Schauspieler sind ein weiteres großes Plus der Serie: Selten sind mir Figuren schon nach einer Staffel so ans Herz gewachsen, dass ich jedes Mal mitleide, wenn etwa Léna oder Julie Gefahr droht. Absolut herausstechend ist nach wie vor auch die Bildgestaltung: die ständig im Dämmerlicht liegenden Berge, die überflutete Stadt mit Laternen, die ins Nichts führen, die endlosen Wälder. Allein die Szene, in der (in einer Rückblende) ein junges Liebespaar durch ein einbrechendes Gewitter hinab ins Tal wandern will, hat absolute Kinoqualität. Und plötzlich bricht der Staudamm – auch das sehr überzeugend in Szene gesetzt.

Trotz der unheimlichen Grundstimmung und zweifellos vorhandenen Gruseleffekten steht das Charakterdrama weiterhin im Mittelpunkt der Serie. Untote sind eben auch nur Menschen und es bleibt faszinierend, mitzuerleben, wie sie mit dem Wissen um ihren eigenen Tod umgehen. Auch die Balance zwischen behutsamen Andeutungen und Teilantworten auf der einen Seite sowie neuen Fragen auf der anderen, an der so viele Mysteryserien in Folgestaffeln scheitern, haben die Autoren bislang gut im Griff. So erweist sich „Les Revenants“ auch nach den ersten drei Folgen der zweiten Staffel als eine der überzeugendsten Serien der Gegenwart – schade nur, dass die deutschen Zuschauer sich davon anders als in den englischsprachigen Ländern nicht schon zeitnah überzeugen können, sondern vermutlich wieder auf eine Synchro bei Netflix, Amazon & Co. warten müssen.

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