Lost an der Oberfläche: ein neues Buch über „Mad Men“

Bertz+Fischer

Kurz vor Beginn der siebten und abschließenden Staffel ist die Faszination an „Mad Men“ noch immer weitgehend ungebrochen. Mit dem kleinformatigen Büchlein „Lost in the Sixties“ der Filmhistorikerin und Publizistin Daniela Sannwald legt der Verlag Bertz+Fischer jetzt ein weiteres Sekundärwerk über den Kritikerliebling vor.

Nie verstehen werde ich wohl den Ansatz, Sachbücher über Fernsehserien nach deren Hauptfiguren zu gliedern. Was Ekkehard Knörer vergangenes Jahr in seinem Booklet zu „Battlestar Galactica“ zumindest in einem Kapitel abhandelte, ist bei Sannwald grundlegendes Konzept: Nach einem kurzen „Blick in die Kindheit“ (mutmaßlich die eigene der Autorin?) geht es schon auf Seite 16 los mit Pete Campbell. Jeweils etwa 13 bis 20 Seiten widmet sie im Folgenden den wichtigsten Protagonisten der Serie – und mit der afro-amerikanischen Sekretärin Dawn Chambers am Schluss auch einer eher unwichtigen. Dabei beschränken sich die einzelnen Kapitel überwiegend auf Charakterbiografien, wobei Nacherzählungen symptomatischer Szenen die Eigenschaften der Figuren verdeutlichen sollen. Mehrmals bemüht Sannwald die Namen der fiktiven (Anti-)Helden, um etwas über deren Charakter auszusagen. Da erfahren wir dann, dass Dawn für die Morgendämmerung der Bürgerrechtsbewegung stünde oder Roger darauf hinweise, dass Roger Sterling im Krieg gedient habe. Wirklich erhellend ist das nicht.

Über die Entstehungsgeschichte und Produktionshintergründe der AMC-Serie gibt es leider nichts zu lesen, über die literarischen und filmischen Einflüsse der Autoren um Matthew Weiner auch so gut wie nichts. Gerade letzteres verwundert bei einer Filmhistorikerin dann doch, zumal die Inspirationsquellen bekanntermaßen vielfältig sind. Stattdessen zieht sie immer wieder Vergleiche mit der realen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Situation der 1960er Jahre, nicht nur in den USA, sondern auch in der Bundesrepublik. Das ist manchmal ganz interessant, wirkt oft aber auch bemüht und muss schon alleine wegen des knappen Platzes (rund 130 kleinformatige Seiten plus Anmerkungen) oberflächlich bleiben. So erscheinen auch die zitierten Dokumente und zeitgenössischen Artikel oft etwas beliebig ausgewählt. Zur Charakterisierung des in New York irgendwie deplatziert wirkenden kühlen Briten Lane Pryce wird dann gar Stings Songtext zu „Englishman in New York“ zitiert.

Zwar finden sich einige erhellende Passagen, etwa über Frauen in der Werbebranche der 60er Jahre oder die Schwierigkeiten von Kriegsveteranen wie Roger Sterling, sich wieder in die Nachkriegsgesellschaft einzugliedern. Insgesamt erfahren Kenner der Serie aber wenig Neues. Wie geschickt Weiner & Co. mit kulturellen Anspielungen und realen historischen Gegebenheiten spielen, wie viel Liebe und Arbeit tatsächlich in fast jedem inhaltlichen Detail steckt, eröffnet das Buch leider nicht. Hierzu sollte man besser zu Jesse McLeans bereits 2010 auf Deutsch erschienenem Taschenbuch „Mad Men – Die Könige der Madison Avenue“ greifen (s. die Rezension in der torrent-Nullnummer), das sich in ausführlichen Episodenführern fast allen Referenzen der ersten beiden Staffeln widmet und so die Faszination der Serie weitaus besser verdeutlicht. Denn ob nun tatsächlich die Mehrzahl der Zuschauer in ihr nur das verloren gegangene Stilbewusstsein und die soziale Unterkomplexität ihrer eigenen Kindheit suchen, wie Sannwald einmal mutmaßt, oder nicht doch eher die kritische Auseinandersetzung mit den zum Glück heute überholten Verhaltensregeln: Der Komplexität, mit der „Mad Men“ diese Zeit erzählt, wird ihr Buch leider auf keinen Fall gerecht.

Daniela Sannwald: „Lost in the Sixties: Über MAD MEN“. Bertz+Fischer 2014. TB, 148 S., 9,90 €

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