McFarlane worst Oscar Host ever: Ungeordnete Eindrücke zur Preisverleihung

Das vernichtende Urteil über seine Moderation nahm der Gastgeber der 85. Academy-Awards-Gala zum Glück schon am Anfang der Show als fiktive Online-Schlagzeile selbst vorweg. Was als Gag gedacht war, hat sich leider bestätigt, zumindest was die jüngere Vergangenheit angeht: Der Komiker und Trickserienschöpfer Seth McFarlane („Family Guy“, „American Dad“) war tatsächlich der lahmste und unwitzigste Oscar Host seit langem. Auch sonst konnte die Preisverleihung diesmal nur selten überzeugen, findet Marcus Kirzynowski.

Zwei Nominierte, eine Ausgezeichnete: Jennifer Lawrence und Bradley Cooper in „Silver Linings“; Foto: Senator

Mehr als 15 überwiegend quälende Minuten dauerte die Eröffnungsnummer von McFarlane, die im Grunde eine nicht enden wollende Aneinanderreihung ständig neuer Nummern war: Ein Lied hier, eine Tanznummer da, ein Einspielfilm im Anschluss. Das meiste davon völlig witzlos. Vielleicht findet es die Mehrzahl des US-Publikums irgendwie gewagt und lustig, darüber zu singen, wessen Busen man in welchem Film nackt sehen konnte, auf den Rest der westlichen Welt wirkt ein solcher Song wohl eher ebenso belang- wie geschmacklos. Lustiger wäre es vermutlich gewesen, man hätte die ganze Einleitung mit den Sockenpuppen gestaltet, die eine Kurzversion des nominierten Actiondramas „Flight“ aufführten. Man hätte den charismafreien Moderator, der auch im weiteren Verlauf des Abends überwiegend mit pointenlosen Gags ohne Gefühl für Timing auffiel, auch gleich ganz durch eine Sockenpuppe ersetzen können.

Erster Preisträger war dann wie erwartet der Österreicher Christoph Waltz, der zum zweiten Mal nach „Inglourious Basterds“ einen Oscar für eine Nebenrolle in einem Tarantino-Film mit nach Hause nehmen konnte. Diesmal allerdings nicht unbedingt verdient, denn seine – für diese Kategorie eigentlich zu große – Rolle als Dr. King Schultz in „Django Unchained“ wirkte schon etwas sehr bemüht auf den Oscar schielend gespielt. Immerhin spricht Waltz inzwischen ein wesentlich besseres Englisch als sein Landsmann Michael Haneke, der beim Entgegennehmen des Preises für den besten fremdsprachigen Film „Liebe“ vor allem durch seinen starken Akzent und die wiederholte falsche Aussprache des „Thank you“ auffiel.

Über weite Teile lief die Verteilung der Auszeichnungen so wie erwartet, für Überraschungen in den Hauptkategorien ist die Academy ohnehin eher selten gut. So durfte sich dann auch Quentin Tarantino über seinen zweiten Drehbuchoscar nach „Pulp Fiction“ freuen, wobei man sich schon fragen kann, was an „Django Unchained“ so herausragend geschrieben sein soll. So durfte sich Tarantino jedenfalls ein bisschen selbst bepauchpinseln, indem er meinte, seine Figuren würden hoffentlich auch in mehreren Jahrzehnten noch überdauern – das mag bei Vincent Vega oder Mr. White der Fall sein, aber vermutlich doch eher weniger bei seinem Django oder Dr. Schultz. Auch der Hauptdarstellerpreis für Daniel Day-Lewis als „Lincoln“ überrascht wohl niemanden, ansonsten war Steven Spielbergs Geschichtsdrama aber der große Verlierer des Abends. Er konnte in keiner anderen wichtigen Kategorie den Sieg davon tragen. Überraschender als bei den Männern war die Preisvergabe bei den weiblichen Hauptrollen. Hier galt die Französin Emmanuelle Riva für ihre Darstellung der dementen Ehefrau in „Liebe“ als haushohe Favoritin, musste sich aber Jennifer Lawrence geschlagen geben. Die ist zwar ohne Zweifel eine herausragende Schauspielerin, ihre Leistung als psychisch auffällige Tänzerin in der Komödie „Silver Linings“ fiel aber doch deutlich etwa gegenüber ihrer Durchbruchsrolle in „Winter’s Bone“ ab.

An David O. Russels etwas merkwürdig anmutender Mischung aus „Rain Man“ und „Dirty Dancing“ hatten die abstimmenden Academy-Mitglieder aber ohnehin einen Bären gefressen, denn auch in allen anderen Schauspielkategorien war er nominiert (obwohl Robert De Niros Rolle ebenso nervig wie überflüssig war), ebenso als bester Film. Die Auszeichnung für Lawrence blieb dann aber doch die einzige für diesen bestenfalls mittelmäßigen Feel-Good-Film. Bei den Nebendarstellerinnen konnte sich Anne Hathaway den Sieg sichern. Deren schauspielerische Leistung in dem Musical „Les Misérables“ kann ich nicht beurteilen, da man mich wohl an den Kinosessel fesseln müsste, um die Gesangsnummen des Films durchzuhalten. Immer wenn während der Show ein Stück aus der Verfilmung ertönte, drohten in meiner Wohnung die Gläser zu zerbrechen. Mehr Pathos als in dem nominierten Song „Suddenly“, den Hugh Jackman solo begann, bevor immer mehr Darsteller auf die Bühne einfielen und in das Gejaule einstimmten, ist wohl nur schwer möglich. Dem Publikum im Saal gefiel es anscheinend, das feierte das Misérable(s)-Ensemble ebenso mit standing ovations wie unmittelbar davor schon Jennifer Hudsons fürchterlich over-performten Song aus „Dreamgirls“, einem vermutlich zu Recht heute schon vergessenen Filmmusical der vergangenen Jahre.

Konnte man schon denken, die Gesangsnummern würden der Veranstaltung endgültig den Garaus machen, gab es doch auch einige musikalische Lichtblicke. Vor allem die beiden Sängerinnen, die zwei Bond-Themesongs aus verschiedenen Phasen der 50-jährigen Geschichte des erfolgreichen Franchises präsentierten, sorgten für echte Gänsehaut: Shirley Bassey mit dem Klassiker „Goldfinger“ (in einer anfangs etwas eigenwilligen Version) sowie Adele mit dem nominierten Titellied des aktuellen 007-Abenteuers „Skyfall“. Letzteres errang später auch völlig verdient den Oscar.

Was war noch? Ach ja, der „beste Film“ des Jahres. Für diese letzte Auszeichnung des Abends (oder frühen Morgens, nach mitteleuropäischer Zeit) hatten sich die Produzenten immerhin die beiden schillerndsten Präsentatoren aufgespart: Jack Nicholson und – live aus dem Weißen Haus zugeschaltet – Michelle Obama. Die brachte dann zumindest am Schluss noch etwas Glanz in die Gala, der vorher weitgehend vermisst wurde. Der wichtigste Oscar ging nicht an „Lincoln“, sondern mit Ben Afflecks „Argo“ an einen ebenso amerikanischen, aber zeitgemäßeren Film. Und nächstes Jahr dann bitte wieder Billy Crystal anrufen!

7 comments

  1. Ich fand Mcfahrlane gut. Es hat zwar nicht jeder Gab im Publikum gezündet, aber das lag weniger an ihm, als am Publikum.

    Ich hatte Spaß an den Oscars.

  2. oh nein, bitte nicht wieder billy crystal anrufen! mit seiner gelifteten botox-visage und seinen zähen altherrenwitzen kann er gerne in der versenkung verschwunden bleiben.

    ich fand seth macfarlane erfrischend und zwei oder dreimal auch wirklich lustig. die gags sind aber etwas untergegangen, das brillante lincoln-wortspiel zum beispiel. und warum man „we saw your boobs“ als europäischer zuschauer nicht lustig finden können soll… nun ja, das verstehe, wer mag.

    ergo: ich schließe mich meinen vorrednern an.

    1. Tut mit Leid, aber von den Hosts der letzten Jahre war Crystal der einzige, der halbwegs über die Fähigkeiten verfügt, einen Stand-Up professionell über die Bühne zu bringen. Wenn das Altherrenwitze waren, möchte ich mal wissen, was „We saw your boobs“ gewesen sein soll – wahrscheinlich wahnsinnig subversive Satire. Vom Alter her sprechen mich vermutlich inzwischen Altherrenwitze mehr an als pubertäre.

      1. fundamental unterschiedliche humorvorstellungen, schätze ich. wobei ich mich sowohl von ruhigerem als auch derberem humor angesprochen fühle, es kommt immer auf den kontext an. der oscar-verleihung tut etwas mehr derbheit jedenfalls gut, vor allem, wenn drumrum alles voller schlimmer musical-nummern ist.

        „we saw your boobs“ war ein lustiges liedchen darauf, dass diese vermeintlichen charakterdarstellerinnen sich nicht scheuen, bei jeder sich bietenden gelegenheit die brüste rauszuholen – aber alles nur für die rolle, klar.

        ein wort noch zu shirley bassey. sie hatte einen tollen schlussteil, wo ich auch dachte: nicht schlecht, den ton trifft sie noch. aber vorher war’s sehr gequält in ihrer darbietung. überhaupt hatte ich mir von dem ganzen bond-teil mehr versprochen.

        1. „aber vorher war’s sehr gequält in ihrer darbietung“

          Das meinte ich mit der „anfangs etwas eigenwilligen Version“.

          „ein lustiges liedchen darauf, dass diese vermeintlichen charakterdarstellerinnen sich nicht scheuen, bei jeder sich bietenden gelegenheit die brüste rauszuholen – aber alles nur für die rolle, klar.“

          Aha, und was sollte sonst der Grund sein? Bekommt man in Hollywood eine höhere Gage, wenn man seine Brüste zeigt? Und solche Kommentare von jemandem, der sich beschwert, wenn ich anmerke, dass eine Schauspielerin in einer bestimmten Rolle nicht so gut aussah wie in einer anderen ;).

  3. Den besten „Oneliner“ hatte Ang Lee in seiner Dankesrede, als er seinem Anwalt dankte, und die Zeile „Sorry, I had to do this.“ nach schob 😉

    Überhaupt hat mich versöhnlich gestimmt, dass er den Regie Oscar bekommen hat, sowie sein Kameramann und das Visual-Effects-Team mehr als verdient gewonnen haben. Weil sie gemeinsam etwas gezaubert haben, dass man die meiste Zeit über eben nicht als Effekte wahr nimmt (Wasser, Himmel und die Tiere).

    Ansonsten bleibt das übliche Fazit: die Nominierungen sind wichtiger als die Verleihung selbst, die man sich besser gleich ganz sparen kann.

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